Zwischen Naturschutz und Freizeitdruck
"Große Moosjungfer" (Foto: Daniela Feige)
Naturschutz im Naturschutzgebiet „Westlicher Staffelsee mit angrenzenden Mooren“
Arten- und Biotopschutz sind zentrale Bausteine des Naturschutzes. Sie spielen eine entscheidende Rolle, um den Naturhaushalt in seiner Funktionsfähigkeit zu erhalten und damit auch unsere eigenen Lebensgrundlagen zu sichern. Artenschutz und Biotopschutz sind dabei untrennbar miteinander verknüpft: Arten lassen sich nur schützen, wenn man auch ihre Lebensräume (Biotope) erhält. Der Verlust natürlicher und naturnaher Lebensräume ist einer der Hauptfaktoren des weltweiten Artensterbens. Zu den klassischen Instrumenten des Naturschutzes zählt daher die Ausweisung von Schutzgebieten. In Deutschland existieren unterschiedliche Schutzgebietskategorien, vom „Geschützten Landschaftsbestandteil“ über „Naturschutzgebiete“ bis hin zum „Nationalpark“. Naturschutzgebiete (NSG) gehören zu den gesetzlich am strengsten geschützten Gebieten.
Der „Westliche Staffelsee mit angrenzenden Mooren“ ist seit 1999 als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Das international bedeutsame Feuchtgebiet ist zugleich Teil des europäischen Schutzgebietssystems „Natura 2000“. Es ist Rückzugsraum für zahlreiche seltene und gefährdete oder vom Aussterben bedrohte Tier-und Pflanzenarten und vereint eine Vielzahl unterschiedlicher Lebensräume. Das Gebiet ist geprägt von Hoch-, Übergangs- und Niedermooren, von Kalkflachmooren mit Kleinseggenrieden im Uferbereich, Auen entlang kleinerer Bäche sowie einigen Vorkommen von besonders seltenen mageren Trockenrasen. Große Teile der Niedermoore werden als Streuwiesen genutzt, die nicht gedüngt und erst spät im Jahr gemäht werden. Allein hier finden sich mindestens 30 Pflanzenarten, die bundes- oder landesweit stark gefährdet sind. Von herausragender Bedeutung ist das Gebiet auch als Vogelschutzgebiet, u.a. für Wiesenbrüter wie Kiebitz und Braunkehlchen. Noch vor wenigen Jahren oder Jahrzehnten allgegenwärtige „Allerweltsvögel“, sind sie heute aus Wiesen und Feldflur weitgehend verschwunden. Der Kiebitz steht im Landkreis Garmisch-Partenkirchen kurz vor dem Aussterben; die letzten beiden Brutpaare des Landkreises haben im Obernacher Moos einen letzten Rückzugsort und (Ersatz-)Lebensraum gefunden. Für sie tragen wir in Uffing eine besondere Verantwortung.
Herausforderung Freizeitbetrieb
Zu den größten Herausforderungen für Schutzgebiete zählt der wachsende „Freizeitdruck“, nicht erst seit Corona. Er ist eine Hauptursache dafür, dass auch in Naturschutzgebieten Bestände der dortigen Tier- und Pflanzenarten zurückgehen oder ganz verschwinden. Das ist auch am Staffelsee zu beobachten. Hinzu kommen weitere Begleiterscheinungen wie Müll oder immer neue Trampelpfade. Immer mehr Menschen sind zudem auch in der Dämmerung oder nachts unterwegs, so dass die notwendigen Ruhezeiten für wildlebende Tiere zunehmend kürzer werden.
Oft werden solche Störungen und Schäden aus Unwissenheit oder Unbedachtheit verursacht. Vielen ist nicht bewusst, dass auch vermeintlich harmlose Verstöße gravierende Folgen haben können. Jede einzelne Störung kann eine zu viel sein und schlimmstenfalls zum Verlust einer ganzen Population führen. Jahrelange Bemühungen um Arterhalt werden auf diese Weise unnötig zunichte gemacht.
So kann ein freilaufender Hund bodenbrütende Vögel bereits auf mehrere hundert Meter Entfernung in Panik versetzen. Sie verlassen ihre Gelege, so dass der Nachwuchs ausbleibt. Leider weiß der Kiebitz ja nicht, dass Ihr Hund „nix tut“. Nachwuchsverluste durch natürliche Feinde oder ungünstige Witterung auszugleichen, ist bei stark dezimierten Beständen schwierig genug. Kommen noch Störungen durch den Menschen oder freilaufende Hunde hinzu, kann dies fatal sein.
Ebenso ist eine plattgelegene Wiese für nektarsuchende Insekten wertlos – egal, wie ruhig sich die lagernden Personen verhalten. Besonders verhängnisvoll ist dies für hochspezialisierte Insektenarten, die auf ganz spezielle Pflanzenarten angewiesen sind, die wiederum nur in ganz bestimmten, seltenen Lebensraumtypen vorkommen. Sie können nur hier überleben, da sie nicht auf andere Pflanzen ausweichen können. Sind zu ihren Flugzeiten ihre Wirtspflanzen nicht verfügbar, sterben diese Arten aus. Bitte nehmen Sie daher die geltenden Betretungs- und Lagerverbote im Naturschutzgebiet unbedingt ernst!
Wird abseits befestigter Wege oder gar über Wiesen geradelt, können irreversible Schäden an Vegetation und Boden entstehen, die allenfalls mit viel Aufwand wieder ausgeglichen werden können. Badegäste, SUP-Paddler und andere Wassersportler, die dem Schilf zu nahe kommen, verdrängen die dort lebenden Schilfbrüter wie Drossel- oder Teichrohrsänger. Und auch wer einzelne Blumen pflückt oder „nur mal schnell ein Foto machen“ will und dazu die Wege verlässt, kann ungewollt Fauna und Flora erheblich beeinträchtigen oder gar einen ganzen Bestand gefährden – vor allem, wenn Dutzende anderer dieselbe Idee haben, und dies täglich und über Monate hinweg.
Dabei geht es nicht nur um einzelne Exemplare und die bloße Anzahl bestimmter Pflanzen und Tiere, sondern auch um den Erhalt der genetischen Vielfalt. Für den Fortbestand der Arten aber ist diese essentiell, zumal Zersiedelung, Versiegelung, Verkehrsschneisen und intensive Landwirtschaft die natürliche Verbreitung und den genetischen Austausch immer stärker behindern.
Das Bayerische Naturschutzgesetz lässt den Erholungssuchenden viele Freiheiten – verbindet dies aber mit bestimmten Einschränkungen sowie der Pflicht jeder und jedes einzelnen, „mit Natur und Landschaft pfleglich umzugehen“ (Art. 26 [2]). Auch die Schutzgebietsverordnung speziell für unser Naturschutzgebiet „Westlicher Staffelsee mit angrenzenden Mooren“ enthält eine Reihe großzügiger Ausnahmen. Es ist durchaus keine Selbstverständlichkeit, dass das Gebiet überhaupt betreten werden darf: Naturschutzgebiete „können […] der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden“, „[s]oweit es der Schutzzweck erlaubt“ (Bundesnaturschutzgesetz §23; unsere Hervorh.). Dass an einer Stelle am Obersee sogar gelagert und gebadet werden darf, obwohl es sich ebenfalls um geschützte Areale handelt, ist ein besonderes Zugeständnis an Einheimische und Gäste. Umso wichtiger ist es, dass sich alle an die geltenden Regeln halten und sich verantwortungsvoll verhalten. Nur so kann das Gebiet seinen gesetzlich festgeschriebenen Schutzzweck erfüllen.
Als Naturschutzwacht Uffing wünschen wir uns, dass das Gebiet mit derselben Selbstverständlichkeit als Naturschutzgebiet respektiert wird, mit der es derzeit als Erholungsraum genutzt wird. Die vergangenen Monate haben gezeigt, wie notwendig Aufklärungsarbeit und Bewusstseinsbildung hier sind. Sie stehen daher an erster Stelle unter den vielfältigen Aufgaben der Naturschutzwacht.
Naturschutzwacht Uffing – Hintergründe und Erfahrungen
Naturschutzwachten gibt es in Bayern seit 45 Jahren. Heute engagieren sich bayernweit an die 900 Bürgerinnen und Bürger in fast 90 lokalen Naturschutzwachten. Ehrenamtlich unterstützen sie die unteren Naturschutzbörden (uNB) der jeweiligen Landratsämter bzw. kreisfreien Städte und können sich durch einen entsprechenden Dienstausweis ausweisen. Aus- und Fortbildung erfolgen durch die Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL) in Laufen an der Salzach. Zu den Aufgaben der Naturschutzwacht gehört es, vor Ort für ökologische Zusammenhänge zu sensibilisieren, die Einhaltung von Schutzvorschriften zu kontrollieren und bei Artenschutz- und Landschaftspflegemaßnahmen mitzuhelfen. Vorrangiges Ziel ist es, durch Aufklärung vorzubeugen und Konfliktsituationen im Gespräch zu lösen. Wenn nötig, können bestellte Naturschutzwächter aber von ihren hoheitlichen Befugnissen Gebrauch machen und Personalien aufnehmen, Platzverweise erteilen und Ordnungswidrigkeiten melden; zudem sind sie dazu verpflichtet, Straftaten zur Anzeige zu bringen.
Die Uffinger Naturschutzwacht wurde 2020 auf Initiative von Bürgermeister Andreas Weiß ins Leben gerufen – als erste gemeindliche Naturschutzwacht im Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Der zunehmende Besucherandrang im Staffelseegebiet, vor allem im „Corona-Jahr“ 2020, und damit verbundene Probleme gaben den Anstoß.
Weitere Gemeinden im Landkreis schließen sich inzwischen dem Beispiel Uffings an und beginnen aktuell, eigene Naturschutzwachten aufzubauen. In Uffing folgte im Frühjahr 2020 ein gutes Dutzend Freiwilliger dem Aufruf der Gemeinde, an dem Pilotprojekt teilzunehmen. Die meisten haben inzwischen die Ausbildung an der ANL erfolgreich absolviert und konnten ihre Urkunden von Landrat Anton Speer persönlich in Empfang nehmen. Der Einsatz im Naturschutzgebiet erfolgt in enger Abstimmung mit der Gemeinde und der unteren Naturschutzbehörde Garmisch-Partenkirchen, wo uns die Gebietsbetreuerin Daniela Feige mit Rat und Tat zur Seite steht.
Die Bilanz nach einem Jahr und zwei Corona-Sommern fällt insgesamt positiv aus. Die Gründung der Naturschutzwacht stieß neben mancher Skepsis und anfänglichen Missverständnissen von Anfang an auf viel Zuspruch seitens der Öffentlichkeit. Naturgemäß sehr unterschiedliche Erfahrungen machen wir bei den Einsätzen im Gelände. Die Reaktionen reichen von Verständnis, Anerkennung und konstruktiver Kritik über Ignoranz und Spott bis hin zu offener Aggression und Provokation. „Immer diese Gutmenschen“ oder „Sie wollen ja nur Macht ausüben“ gehören zu den gesammelten Sprüchen ebenso wie einige Kommentare, die wir hier nicht zitieren wollen. Nicht jedes Gespräch gelingt, und nicht immer kommt es überhaupt zu einem Dialog.
Leider gehörten auch Vandalismus, üble Nachrede, Rufschädigungen durch „falsche Naturschutzwächter“ und Auseinandersetzungen mit Wiederholungstätern zum Alltag; zum Teil musste die Polizei hinzugezogen werden. Wo Information und Argumente nicht fruchten, müssen wir ggf. von unseren Handlungsbefugnissen Gebrauch machen. Überwiegend stoßen wir auf unseren Streifgängen aber bei Einheimischen wie Auswärtigen auf viel Kooperationsbereitschaft, Einsicht und offene Ohren. Oft ergeben sich interessante Gespräche, die für beide Seiten eine Bereicherung sind. Sprechen Sie uns gerne an!
Neben den Streifen standen Öffentlichkeitsarbeit und Pressetermine sowie Kennenlerntreffen mit wichtigen Kontaktpersonen wie Revierjäger, Försterin, Polizei oder der AG Dialog Landwirtschaft in Uffing auf dem Programm. Hinzu kamen landschaftspflegerische Einsätze wie die Treibguträumaktion auf den Streuwiesen im Obernacher Moos (wir berichteten, siehe. Wir für euch, Ausgabe 4, Mai 2021). Zur Besucherlenkung wurden gemeinsam mit dem Bauhof neue Fahrradabstellmöglichkeiten am Obersee angebracht, die gut angenommen werden. Durch den Freizeitbetrieb sind die dortigen Wiesen stark in Mitleidenschaft gezogenen. Die neuen Vorrichtungen sollen hier Abhilfe schaffen, damit sich die Flächen regenerieren können. Aktuell laufen außerdem Vorbereitungen für den Uffinger Regionalmarkt im Oktober, auf dem wir mit einem Stand vertreten sein werden und gerne mit Ihnen ins Gespräch kommen. Weitere Ideen im Bereich Umweltbildung und Vermittlung – u.a. Infoveranstaltungen, Broschüre und Angebote für Schulen – stehen auf der Agenda.
Es geht nur gemeinsam
Unsere Motivation ist es, ein Stück Natur zu schützen, dessen Erhalt uns allen am Herzen liegen sollte. Das Artensterben und die Zerstörung natürlicher und naturnaher Lebensräume haben dramatische Ausmaße angenommen, mit unabsehbaren Folgen. Die aktuellen „Roten Listen“ gefährdeter Tier- und Pflanzenarten dokumentieren und bestätigen den alarmierend rapiden Verlust an biologischer Vielfalt, auch für Bayern. Beispielsweise gelten fast 50 % der Brutvögel, 60 % der Amphibien und 90 % der Reptilien in Bayern derzeit als gefährdet, Tendenz steigend. Ein Großteil davon ist vom Aussterben bedroht.
Schutzgebiete sind kein Allheilmittel und ihrerseits vielfältigen Gefährdungen von außen ausgesetzt. Aber sie leisten einen unverzichtbaren und wertvollen Beitrag, um den Verlusten entgegenzuwirken. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass in Naturschutzgebieten der Schutz der Natur Vorrang hat. Helfen Sie mit, unser Naturschutzgebiet mit seiner einzigartigen Fauna und Flora zu erhalten und diesen Schatz vor unserer Haustür auch für nachfolgende Generationen zu bewahren. Ohne Ihre Mitwirkung geht es nicht.
Halten Sie sich daher bitte an die Lager- und Betretungs-/Befahrungsverbote, nehmen Sie Ihren Hund ganzjährig an die Leine und bleiben Sie mit dem Fahrrad auf den ausgewiesenen Wegen. Achten Sie auf die entsprechenden Schilder und Hinweistafeln im Gelände. Bitte beachten Sie auch, dass es sich bei den tolerierten Bade- und Lagerflächen am Obersee ebenfalls um Naturschutzflächen handelt, nicht um ein Freizeitgelände. Sonnenschirme, Campingmöbel und Wasserfahrzeuge aller Art sind nicht zulässig. Möchten Sie auf diesen Komfort nicht verzichten, nutzen Sie bitte die Strandbäder rund um den Staffelsee. Für SUP-Paddler hat die Gemeinde Uffing eigens eine komfortable Einstiegsstelle am Gemeindebad in der Seestraße neu angelegt. Bitte gehen Sie mit gutem Beispiel voran. Vielen Dank!
Allen, die unsere ehrenamtliche Arbeit ideell und praktisch unterstützen, möchten wir an dieser Stelle herzlich danken. Unser Dank gilt insbesondere Bürgermeister Andreas Weiß und der Gemeinde Uffing, unserer Gebietsbetreuerin Daniela Feige (uNB) und nicht zuletzt allen Uffingerinnen und Uffingern, die den neuen, ungewohnten und manchmal unbequemen Wind an „ihrem“ Staffelsee mit Aufgeschlossenheit und Verständnis aufgenommen haben. Ihnen allen ein herzliches Vergelt’s Gott!
Ihre Naturschutzwacht Uffing am Staffelsee
(veröffentlicht in Hoagart 01 | Oktober 2021, siehe unten, Seite 9 bis 13)